„Auuuuh!“ - „Auuuuuh!“ - „Auuuuh!!“ - lang, hoch und Herz zerreißend heulte der silberne Wolf im Mondschein. Einsam saß er auf seinem Felsblock, Während er dort über die Welt grübelte, kam eine Maus vorbeigehuscht.
„Was heulst du denn so eintönig?“, piepste sie.
„Auuuuh!“, antwortete der Wolf, „wie soll ich denn sonst rufen? Alle meine Vorfahren haben so gesungen, ausnahmslos! Seit Anbeginn der Zeit.“
„Singen nennst du das?“, quietschte die Maus, „singen ist aber etwas anderes.“
„Äh, ähem“, stutzte der Wolf. Wie sollte er einer Maus erklären, wie und warum ein Wolf heult? Was wollte die überhaupt? Warum ließ sie ihn nicht einfach in Ruhe?
Daran dachte das Nagetier aber ganz und gar nicht. Im Gegenteil. „Das klingt aber nicht sehr überzeugend“, stichelte sie, „also ich an deiner Stelle würde mich schämen und keinen Ton mehr heraus bringen ohne ordentlichen Gesangsunterricht.“
„Ach, und bei wem würdest du lernen?“
„Oh, die Auswahl ist groß“, schwärmte die Maus, „da wäre die Eule, die hat einen viel schöneren und tieferen Klang als du.“ Sie tat so, als müsse sie überlegen, und beobachtete das Mienenspiel des Wolfes. Deutlich erkannte sie, wie er sich ärgerte und dies nicht zugeben mochte, da er nur zu begierig schien, seine Stimme zu verbessern. Oh, was für ein wohliges Gefühl sich im Bauch der Maus ausbreitete. Noch nie hatte es ihresgleichen vermocht, einen Wolf zu bändigen. Die Maus räusperte sich in Vorfreude auf die Geschichte ihrer Macht, die sie ihren Kindern und Kindeskindeskindern würde erzählen können. Laut fuhr sie fort: „Dann wäre da der Neunender, der röhrt und rockt alle Damen. Mit dem kannst du auch nicht mithalten. Oder schleichen hier verborgen etwa Weibchen um dich herum?“ Sie kicherte.
„Graauhh. Sei vorsichtig“, grummelte der Wolf.
„Ha, dann erfährst du nie, wer der König des Gesangs ist und dir helfen kann!“
„Mmmpf, dann spuck's aus!“
„Hihihi, der schwarze große Kater im Dorf – der hat es richtig drauf.“
Nun schwieg der Wolf. Ins Dorf gehen? Das war verflixt gefährlich für einen wie ihn. Da nützte die beste Absicht nichts. Aber Federvieh und Jagdbeute um Hilfe bitten? Welche Schande!
„Na, du musst wissen, das du wert bist“, höhnte die Maus und huschte davon.
Der Wolf erhob seine Schnauze zum Mond, doch nun blieb ihm die Stimme ganz in der Kehle stecken. Urplötzlich machte es ihm keinen Spaß mehr, seinen alten Ton zu singen. Da beschloss er, die Tiere um Rat zu fragen.
Als erstes besuchte er die Eule.
„U-U-Uu.“ Die Eule klappte erst das eine, dann das andere Auge auf. „Was willst du? Singen lernen? Bei mir?“ Sie verdrehte den Kopf um 360 Grad und rief: „U-U-Uu. Seit wann lernen Wölfe bei Eulen?“ Mit diesen Worten breitete sie ihre Schwingen aus und flog davon.
Der Wolf kratzte sich mit der Hinterpfote am Ohr. Dann jaulte er auf und trabte zur Lichtung des Neunenders.
Der röhrte, das die Bäume wackelten. Von Hirschkühen war weit und breit nichts zu sehen. „Was, willst du mir etwa die Weiber wegnehmen?“ Mit gesenktem Haupt stürmte er auf den Wolf zu, der gerade noch rechtzeitig Schutz im Unterholz fand.
Dort schüttelte er sich und seufzte. „Nun gut, einen Versuch habe ich noch.“ Mit diesen Worten machte er sich auf ins Dorf.
Als er den Kater endlich beim Marktplatz ausfindig gemacht hatte, entdeckten ihn die Menschen. „Ein Wolf, ein Wolf“, schrien sie. Manche rannten davon, andere griffen nach Heugabeln, Baseballschlägern und Schaufeln und stürzten auf ihn zu. Der Wolf raste davon und wurde nie wieder in diesem Dorf gesehen.
In dieser Nacht heulte er wieder den Mond an, gerade so, wie es seine Ahnen schon immer taten. „Auuuh!“
„Hast du nichts gelernt“, piepste es da neben ihm.
„Oh, doch“, entgegnete er und verzog die Lefzen zum Lächeln. „Ich habe meine persönliche Note gefunden!“ Mit diesen Worten langte er nach der Maus und fraß sie auf.